Die Redaktion Waldtraud Bierdeckl meldet sich zurück von der langen Nacht des Sodbrennens mit einem neuen Beitrag, den das Waldviertel, Wien und die Welt unbedingt braucht – oder auch nicht. Ich lasse das meine Leser selbst entscheiden, sie sind alle freie Menschen. Diejenigen, die meinen, dass man meine geistigen Ergüsse nicht braucht, möchte ich aber auf Waldviertlerisch warnen: Wer hoagli is, bleibt üwa! (dt. Wer wählerisch ist bleibt über!). Noch mehr solche Weisheiten, können sie diesem Buch entnehmen:

Apropos Waldviertlerisch: Letztes Wochenende ist es passiert. Ich habe nach bald 3 Jahren hier heroben endlich verstanden, was hiedau und herbei heißt – wauns woar is (dt. wenn das wirklich stimmt). Diese beiden Wörter dienen zur Standortbestimmung eines Objekts, in Bezug auf ein anderes Objekt oder einen Menschen. Also es ist ähnlich wie zuwe und daune – nur, dass sich bei hiedau und herbei nix bewegt.
Man könnte jetzt meinen, der Weg zu meinem Master in Forestpartemanistik (W4telwissenschaft) sei nach dieser Errungenschaft geebnet. Aber leider weise ich noch immer Lücken auf, die verhindern, dass aus meinem Wiener Popsch a stukadierte Woidviertlarin wird. Denn letztens hat mir mein Mann wieder die Welt erklärt…
Bevor ich das aber erzähle, möchte ich aber kurz etwas anmerken: Ich habe jetzt den Künstlernamen Waldtraud Bierdeckl angenommen. Die meisten wissen zwar sowieso wie ich heiße, weil sie mich entweder kennen und oder meinen bürgerlichen Namen irgendwo gesehen haben. Aber ich möchte verhindern, mit einer österreichischen Kabarettistin mit einem ähnlich besoffenen Nachnamen verwechselt zu werden (obwohl die Versuchung sehr groß war, unsere zukünftige Tochter Monika zu taufen). Nicht wegen mir, sondern damit sich die arme Monika nicht für ihre komische Familie im Waldviertel genieren muss, die nicht einmal mit ihr verwandt ist.
Waldtraud gefällt mir als Vorname für meinen Künstlernamen super, weil er sehr gut ins Waldviertel passt und ich den Spruch: „Weißt du warum die Waldtraud sich nicht in den Wald traut? Weil der Herbert sie immer her bert“ so gut gefällt. Mein Ehemann bekommt daher in diesem Blog das Pseudonym Herbert. Unsere derzeit noch ungeborene Tochter bleibt hier Kreszenzia Thusnelda, oder liebevoll und kurz: Zenzi genannt. Zum Glück habe ich noch einige Jahre, bevor das arme Kind lesen und sich bei mir beschweren kann.
Der Name Bierdeckl ist übrigens nicht auf meinen Mist gewachsen. Dieser Spitzname wurde Herbert bei seiner letzten Arbeitsstelle in Wien verpasst. Die Kollegen ließen es sich auch nicht nehmen, unwissende neue Mitarbeiter hinter’s Licht zu führen. So sagte der erfahrene Kollege A zum neuen Mitarbeiter B: „Geh, schreib‘ dem Bierdeckl ein Mail!“ Mitarbeiter B wusste nicht, dass das nur ein Spitzname ist. Daher erhielt Herbert dann tatsächlich ein Mail von dem neuen Kollegen, das mit „Lieber Herr Bierdeckl“ eingeleitet war.
Zurück zu der Geschichte, wo Herbert mir wieder einmal die sprachliche Welt des Waldviertels erklärte: Wir standen in der Schupfen und Herbert sagte zu mir: „Geh schau amoi zu mia ume!“ Ich tat wie geheißen und schaute zu Herbert hinüber. Herbert schaute mich entgeistert an und tat nichts weiter. Ich sagte: „Na was wolltest du mir jetzt zeigen?“ Herbert antwortete: „Du musst herkommen, sunst siagst nix.“ Erst dann verstand ich: Wenn ein Waldviertler sagt, dass man herschaun soll, meint er eigentlich, dass man zu ihm gehen soll. Das ist wieder wie mit dem sauren Essen, dass eigentlich etwas Salziges ist. Und man geht auch nicht auf einen kurzen Besuch zu jemandem, sondern man schaut vorbei. Da soll sich nur einer auskennen!
Geistig bin ich dafür manchmal ländlicher als manche Waldviertler. Viele meine Wiener Freunde sind überrascht, wie ich in eine so dünn besiedelte Gegend ziehen konnte. Bei mir ist es umgekehrt. Wenn ein Dorf Straßennamen hat, ist es mir schon wieder zu städtisch. Manchmal werde ich hier heroben von Leuten gefragt (die der Meinung sind: Man zieht vom Waldviertel nach Wien und nicht umgekehrt): „Owa is in Wean net sche?“ Ich antworte dann meistens: „Wenn man Beton, Menschenmassen und Lärm schön findet, dann schon.“
Viele fahren gerne nach Wien shoppen. Der Herbert und ich sind immer in Wiener Neustadt und im Waldviertel shoppen gegangen, weil wir uns in so ein Wiener Shoppingcenter gar nicht mehr reingetraut haben, vor allem am Wochenende. Das ist mehr Pogo tanzen als Shoppen. Ich hab als Jugendliche gerne Pogo zu punkiger Kotz’ngschroa-Musik getanzt, aber auf einem Konzert und nicht im Shopping Center.
Ich brauche meinen Wald. Dort bin ich zu Hause. Manchmal stelle ich mir vor, wie Herbert als Kind mit den Rehen durch den Wald getollt ist, in einem Robin Hood Kostüm, wie Tarzan mit einem Seil von Fichtenbaum zu Fichtenbaum gesprungen ist und mit den Tieren des Waldes in ihrer Sprache gesprochen hat. Wer jetzt meint, dass sei unrealistisch, der soll ihn mal beobachten, wenn er einer Katze begegnet. Da redet er auch immer in ihrer Sprache mit ihnen. Und viele Katzen reden sogar zurück! Nur schafft er es nie die Antwort der Katze dann zurück ins Waldviertlerische zu übersetzen.
Also man sieht: Ich bin keine Waldtraud, die sich nicht in den Wald traut. Manchmal wundere ich mich sogar darüber, dass es im Waldviertel Fitnessstudios gibt. Wo man doch im gratis originalen Waldviertler Fitnessstudio beim Woid ausschorten viel mehr Kalorien verbrennen kann. Außerdem hot ma donn gleich wos g’oaweit, weu a Hoiz fian Winta braucht ma jo a, weu es Woidviertl hast jo a Koidviertl (dt. außerdem hat man dann gleich auch etwas gearbeitet, weil man ja auch Holz für den Winter braucht. Das Waldviertel wird nämlich auch das Kaltviertel genannt). Nach ein paar Stunden kann man dann einen ganzen Schweinsbraten allein essen (mit 10 Erpfeknedl!!!).
Aber nun zur großen Erkenntnis und Zusammenfassung vom Schluss: Die Waldarbeit muss meiner Ansicht nach auch der Grund sein, warum die Waldviertler so übermäßig viele Orts- Standort und Bewegungsangaben abhängig von einer Person oder einem anderen Objekt haben: Die brauchen sie, wenn sie Bäume fällen, damit sie dann richtig von dem umfallenden Baum wegrennen können und er ihnen nicht auf den Schädel fällt.